Das Lernen von Tai chi:
Wichtig ist bei all diesen Übungen, sie nicht gewaltsam auszuführen und sich zuvor Aufzuwärmen, um möglichen Verletzungen vorzubeugen.
Erstes Ziel ist es, die Bewegungen in Detailreichtum und ihrer Reihenfolge, auswendig zu lernen und zu üben. Das heißt hier zeigt der Lehrer die Bewegungen der Form und der Lernende kann diese Bewegungen nun für sich nachvollziehen.
So wird der Lernende Schritt für Schritt in die komplexen Abläufe der Form eingeführt und lernt sie durch fortwährende Wiederholung selbständig auszuführen.
Um die Form(en) wirklich und bewusst zu "laufen" braucht es einer jahrelangen Übung.
Ein schneller Erfolg ist hier nicht das Ziel.
Es geht auch darum, dass man seine eigenen motorischen Fähigkeiten zu nutze macht, die durch unseren Lebensstil zum großen Teil verkümmert sind. Langsam und sicher werden uns Bewegungen des Körpers bewusster, wir werden beweglicher, der Geist lässt sich entspannen und reagiert bewusster. Ohne Drill und starres Üben, denn unser Tai Chi Lehrer achtet darauf, dass wir "verstehen" warum wir die Übungen so lernen wie sie vor Jahren von den Tai Chi Meistern entwickelt wurden, bis zur Vollendung. Jede Übung, jede Bewegung, sie alle haben ihren Ursprung, sie alle haben einen Namen und mit dem Üben kommt das Begreifen und mit den Erklärungen des Lehrers verstehen wir.
Das Knie streifen - Lou Xi Ao Bou -
Lou - umfassen, umarmen Xi - Knie Lou Xi - Das Knie streifen, vorbei streichen Bu - Bogenschritt
WIE HABEN WIR BEGONNEN?Wir haben zuerst die Vorübungen gelernt und währenddessen wir die ersten zwei langsam erlernten, zeigte uns Rolf wie die ersten Schritte in der kurzen Form zu bewältigen sind.
So haben wir die ersten Figuren gelernt und haben uns vorgearbeitet, bis wir die kurze Form einmal komplett durchlaufen konnten. Dabei hat Rolf uns tatkräftig unterstüzt und uns auch in die Schranken gewiesen, wenn wir es zu gut meinten und wieder viel mehr getan hatten als es die Form bzw. die Bewegung, wollte und verlangte.
Nun sind wir dabei die lange langsame Form zu lernen und sind glücklich am letzten 6. Teil angekommen zu sein.
Wir haben nun die berechtigte Hoffnung in diesem Jahr 2002 endlich die lange Qual umzusetzen. Wir sind uns aber bewußt das wir das Ende noch nicht erreicht haben, denn schließlich soll die Form nicht nur nach Aussen hin schön wirken. Also wird uns manche Korrektur an Haltung und Bewegung nicht erspart bleiben.
Aber wenn wir keinen Spass daran hätten, würden wir uns nicht weiterentwickeln.
Und wir wollen uns in der Hinsicht entwickeln, soweit es unsere Möglichkeiten zulassen. Leider haben wir zu spät begonnen um eine wahre Perfektion zu erreichen. Aber wollen wir das auch?
Einen gewissen Ehrgeiz haben wir Natürlich mit der Zeit entwickelt und schließlich wollen wir auch in den weiteren Formen, die für die Zukunft anvisiert sind, eine gute Form laufen.
Frage und Antwort mit Ma Jiangbao
Forum:
Gibt es einen didaktischen Aufbau beim Lernen der Formen?
Ma Jiangbao:
Ja, zuerst geht es darum, die einzelnen Positionen der Form zu erlernen.
Wenn diese beherrscht werden, lernt man, wie man die Positionen durch Bewegungen verknüpft. Dabei kommt es sowohl auf die Bewegungsführung im Raum an, als auch auf das Timing an.
Wenn Positionen und Bewegungen sicher ausgeführt werden können müssen sie so mit einander verknüpft werden, dass ein langsamer, ruhiger Fluss entsteht.
Forum:
Es sind also drei Stufen des Lernens. Gibt es einen Tipp für das Training zu Hause?
Ma Jiangbao:
Man sollte zu Hause nicht immer nur die ganze Form laufen.
Man sollte auch regelmäßig Positionen und Bewegungen einzeln üben und sich so der Feinheiten vergegenwärtigen.
Zehn wichtige Punkte beim Üben des Tai Chi Chuan
Von Ma Hailong (Älterer Bruder von Ma Jiangbao und Vorsitzender der Jianquan Taijiquan Association Shanghai)
Übersetzt von Dr. Martin Bödicker
Die Lebenskraft ist ein wichtiger Aspekt beim Training des Tai Chi Chuan. Um sie zu fördern, sollte man sich beim Training auf zehn Punkte konzentrieren:
Zentriertheit
Das Zentrum ist die Stelle, die beim Strecken und Beugen, beim Öffnen und Schließen unveränderlich bleibt. Beim Üben des Tai Chi Chuan muss man im ganzen Körper die Idee des Zentriert seins bewahren. Hierbei gibt es zwei Aspekte zu beachten.
Die Körperhaltung
Im Klassiker „Das Lied der dreizehn Grundbewegungen“ heißt es: „Das Steißbein ist zentriert und ausgerichtet und der Geist (shen) reicht bis zum Scheitel.“ Hierbei dient der Rücken als Stütze und man bewahrt so das Zentrum und die Ausgerichtetheit. Nach der Idee von „wie am Scheitel aufgehängt“ wird der Unterkiefer ein wenig nach unten geneigt. So wird die Atmung leicht und fließend und wenn man sie in Bauch und Brust zur vollen Entfaltung bringt, sind das Herz/Bewusstsein (xin) und das qi zentriert und harmonisch.
- Das stabile Gleichgewicht -
Das stabile Gleichgewicht wird nicht nur im Stand, sondern auch in der Bewegung, d.h. bei den fünf Schrittarten gewahrt. Ganz gleich, ob man vordringt, zurückweicht, nach links oder rechts schaut, man hat immer ein stabiles Gleichgewicht und macht nicht den Fehler sich zur Seite zu neigen oder vor- bzw. zurückzulehnen.
2. Ausgerichtet sein
Bei jeder Körperhaltung sollte man unbedingt sein Bestes tun, ausgerichtet zu sein. Man sollte vermeiden, schief oder schräg zu stehen. Ganz gleich welche Bewegung, der Schwerpunkt muss immer stabil sein. Man darf sich nicht nach vorne beugen oder nach hinten lehnen. Ist der Schwerpunkt stabil, kann man mühelos und gewandt öffnen und schließen. Ansonsten macht man leicht den Fehler des „Voll (shi) und Leer (xu) sind nicht klar unterschieden“.
3. Festigkeit
Festigkeit ist verbunden mit der „Stille ohne Bewegung“. Man muss nach einem gefestigtem Geist streben. Im „Buch der Großen Lehre (Daxue)“ heißt es dazu: „Hat man Kenntnis von seinem Ziel, so ist man gefestigt.“ Dies bedeutet, dass man dann gefestigt ist, wenn man erkennt, was es zu erreichen gilt. Ein Ausdruck der Festigkeit ist: „Das Herz/Bewusstsein (xin) und das qi sind klar und harmonisch. Die Lebenskraft durchdringt alles.“ Dies ist eine der Wurzeln des Daoismus. Beim Üben des Tai Chi Chuan muss die Lebenskraft durch Klarheit, Ruhe und Nicht-Handeln (wuwei) gewahrt werden. Sie sollte nicht von der äußeren Welt beeinträchtigt werden. In den „Aufgezeichneten Gesprächen des Shen Hui (Shen Hui Yulu)“ heißt es zur Festigkeit: „Sobald man gefestigt ist, hat man auch Einsicht. Sobald man Einsicht hat, ist man auch gefestigt.“
4. Sanft sein
Sanft sein bedeutet, unbedingt zu vermeiden, sich von Härte leiten zu lassen. Durch Natürlichkeit (ziran) versucht man die Bewegungen gleichmäßig und entspannt zu entfalten, ohne das man das Gefühl von Steifheit und Stockung hat.
5. Ruhe
Ruhe bedeutet, dass man nach hoher Konzentration der Lebenskraft streben soll. Zur Ruhe gibt es in der chinesischen Philosophie sehr viele Erläuterungen. Im „Buch der Großen Lehre (Daxue)“ heißt es: „Hat man Kenntnis von seinem Ziel, so ist man gefestigt. Hat man Festigkeit, so wird man ruhig. Hat man Ruhe, so wird man gelassen.“ Im Daodejing des Laozi heißt es: „Die äußerste Leere (xu) erreichen. Die vollkommene Ruhe bewahren. Die Zehntausend Dinge (wanwu) gedeihen. Ich kann ihre Rückkehr erschauen.“ Im Buddhismus heißt es: „Ist der Geist klar und ruhig, dann kann die Ruhe Einsicht hervorbringen und die Einsicht kann Weisheit erzeugen.“
Die Ruhe ist unter den Gedanken der klassischen chinesischen Philosophie ein hohes Ideal. Ganz gleich welcher Schule man folgt, man muss diese wichtige Stufe erreichen. Beim Üben des Tai Chi Chuan spricht man von drei Idealen der Ruhe:
- Die Ruhe des Körper -
Die Ruhe des Körpers ist von großer Bedeutung. Sie führt dazu, dass die Atmung ruhig und tief ist. Das ist auch gemeint, wenn man sagt: „Das qi sinkt in das Dantian“. In China unterscheidet man drei verschiedene Dantian. Der untere Dantian befindet sich im Bereich unterhalb des Nabels. Der mittlere Dantian im Brustbereich und der obere Dantian zwischen den Augenbrauen. Durch die Ruhe im Körper kann das qi und damit der Atem natürlich (ziran) in das Dantian sinken. Diese Idee ist auch in der Vorstellung der Lebenskraft enthalten.
- Die Ruhe des Herzens/Bewusstseins (xin)-
Im alten China glaubte man, dass das Herz/Bewusstsein eng mit der Lebenskraft verbunden ist. Die Bewegungen im Tai Chi Chuan sind von Leichtigkeit und Gewandtheit durchdrungen. Dies ist ein Ausdruck der Konzentration der Lebenskraft und ein Resultat der Ruhe des Herzens/Bewusstseins.
- Die Ruhe des Geistes -
Die Ruhe des Geistes verweist auf die natürliche (ziran) Entspannung des Körpers. Dies ist die hohe Stufe des Handelns durch Nicht-Handeln (wuwei) und ist keinesfalls einfach zu erreichen. Man muss lange Zeit sehr hart üben und braucht tiefste Einsicht.
6. Leichtigkeit und Gewandtheit
Leichtigkeit ist das Gegenteil von Schwere. Dies ist ein wichtiger Charakterzug der Kampfkunst Tai Chi Chuan. Leichtigkeit kann auch als Weichheit verstanden werden. In den „Mentalen Erklärungen zum Ausführen der 13 Grundbewegungen“ heißt es aber auch: „Äußerste Weichheit führt zu äußerster Härte.“ Weiterhin sind die Bewegungen von Gewandtheit geprägt. Alle Teilbewegungen sind aufeinander abgestimmt. Im Chinesischen kann unter Gewandtheit aber auch Sensibilität verstanden werden. Daher, wenn man leicht und gewandt ist kann man entspannen und sinken. In den Partnerübungen kann man dadurch das Kleben und Haften beherrschen, was wiederum das Folgen und Verbinden, ohne zu verlieren oder dagegenzuhalten, ermöglicht.
Leichtigkeit und Gewandtheit haben aber gleichzeitig auf keinen Fall die Bedeutung von Nachlässigkeit. Man gebraucht auch nicht explosiv ausbrechende Kraft, denn dies könnte zum Fehler der doppelten Schwere führen. Nachlässigkeit und doppelte Schwere sind zwei große Fehler beim Üben des Tai Chi Chuan, die auf jeden Fall vermieden werden müssen. Bei Streckungen, einschließlich den Faust- und Handballenschlägen, sowie den Tritten, bedeutet dies, dass man die Gliedmaßen zwar streckt, aber niemals ganz durchdrückt oder hart macht. So heißt es auch: „Man erscheint locker, ist aber nicht locker. Man ist bereit zur Entfaltung, aber man entfaltet nicht.“
7. Miteinander verbunden sein
Im Tai Chi Chuan sind alle Bewegungen miteinander verbunden. Die Verbindung der Bewegungen muss vollkommen und ohne jeden Fehler sein. Eine wichtiger Punkt dabei ist die Langsamkeit. Die Suche nach Langsamkeit und Verbunden sein ist ein hohes Ziel im Tai Chi Chuan:
„Das lange Boxen, es strömt ununterbrochen wie ein langer Fluss und das Meer.“
8. Rund und Lebendigkeit
Bei der Übung des Tai Chi Chuan machen Händen und Beine runde Bewegungen. Bei den Schritten geht man in Kreisbögen. Man soll nicht gerade nach vorne oder zurück gehen. Lebendigkeit hat die Bedeutung von Gewandtheit. Insgesamt sollen hier drei Aspekte besprochen werden:
- Die Bewegungen sollen volle Rundungen haben. Nichts darf hervorstechen, einfallen oder unzusammenhängend sein. Alles muss zu einem harmonischen Ganzen verschmolzen werden.
- Gewandtheit und nicht Stocken sind von großer Bedeutung. Strecken und beugen, öffnen und schließen, vordringen und zurückweichen, auf und nieder schauen geschehen frei und ungehindert.
- Rundheit entwickelt sich um die Taille als Achsenmitte. Die Drehungen werden dadurch gewandt und gewähren so den Armen und Beinen Raum zur Bewegung. Dies ist ganz gleich wie bei der Beziehung eines Rades zu seine Radachse. Diese Beziehung darf nicht gelöst werden, weil sonst die Bewegungen in Unordnung geraten.
9. Gewissenhaftigkeit
Gewissenhaftigkeit hat zwei wichtige Aspekte:
- Der erste Aspekt von Gewissenhaftigkeit ist Ernsthaftigkeit. Man strebt sehr ernst nach wirklichem und tiefen Können. Unter keinen Umständen darf man die Dinge zu leicht nehmen. Ganz gleiche welche Bewegung, alle müssen präzise und ohne Fehler ausgeführt werden. Es wird auch gesagt: „Wenn man sich ganz auf eine Sache konzentriert, dann stärkt man alles.“
- Der zweite Aspekt von Beharrlichkeit ist etwas tief zu ergründen. Ein altes Sprichwort sagt: „Wie geschnitten, wie gefeilt, wie geschnitzt, wie geschliffen.“ Um etwas zu ergründen braucht man Praxis und tiefes Nachdenken. Das dies auch eine Freude ist, erklärt Konfuzius in den „Gesprächen“: „Zu lernen und das Erlernte bei Zeiten zu wiederholen, ist das nicht auch erfreulich?“
10. Ausdauer
Auch die Ausdauer hat zwei Aspekte:
- Unter Ausdauer ist zuerst die Beharrlichkeit zu verstehen. Ob strenge Kälte oder drückende Hitze, man sollte sein Training nicht unterbrechen. So heißt es auch: „Man übt auch in der heißesten Sommerzeit und in den kältesten Wintertagen.
- In einer zweiten Bedeutung verweist die Ausdauer auf einen bestimmten Trainingsumfang. Aufgrund der eigenen, angeborenen Vorraussetzungen kann man den Grad der eigenen Anstrengungen schrittweise verstärken. Man sollte es aber nicht zu eilig haben und den Trainingsumfang nur schrittweise erweitern. Die Erweiterung drückt sich in dem Zeitumfang und der Menge der Basisarbeit aus. Der Zeitumfang kann z.B. 45 - 60 Minuten betragen. Er sollte eine dauerhafte Basisarbeit beinhalten, den nur diese ermöglicht ein hohes Können.
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